Die Psychoelf Saga

Akt 1 - Teil 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6

Akt 2 - Teil 1 - 2 - 3 - 4 - 5

Akt 3 - Teil 1 - 2 - 3- 4

„Mein bester Mitarbeiter!“ hörte Mellagan den Anstaltsleiter stolz verlauten und er klang dabei so, als wollte er unmissverständlich deutlich machen, wessen Obhut dieser Mitarbeiter entstammte. Mellagans Stirn begann zu pochen. Stormbinder hatte begonnen, ihren Kampf auf eine übersteigert heroisierende Art und Weise zu schildern, was keinem aufzufallen schien. Jemand steckte ihnen Orden an. Schließlich hörte er Isving unsicher sagen „ich glaube, er hat Schmerzen.“
Auch das schien sonst niemand zu bemerken. Er blickte sie an und verstand, dass sie Temminck meinte. Während Stormbinder die Menge weiterhin mit seinen Ausführungen beschäftigt hielt, schleppten sie den Verwundeten auf die Stufen eines Hauseingangs und er begann mit der Wundversorgung.
„Nun, das hat doch ganz gut funktioniert.“, sagte Isving mit sich überschlagender Stimme. Mellagan antwortete nicht und die einzige Reaktion kam von dem Raubtier, das sich betont langsam auf den Hintern fallen ließ und sich zu putzen begann. Also schwieg auch sie und stützte weiterhin Temmincks Oberkörper. Begleitet vom Bürgermeister kam der Anstaltsleiter angetwatschelt, eingehüllt in einen Schwall eiligst daher geplapperter Bedeutungslosigkeiten.
„Das haben sei prima hinbekommen, Mellagon! In kürzester Zeit einen Stufe Zwei Ausbruch eingedämmt. Ich hab ja immer gesagt, in ihnen schlummert ein großes Potential- “
„Ich kündige.“
Der Anstaltsleiter fuhr unbeirrt fort und merkte erst nach zwei Sätzen, was sein „bester Mitarbeiter“ gerade gesagt hatte.
„Wie… meinen?“
„Der Name ist MellagAn. Und ich habe soeben gekündigt.“
Der Arbeitslose nutzte die entstandene peinliche Stille, um sich an den Bürgermeister zu wenden. „Herr Bürgermeister“, sagte er in professionellem Ton, „Sie sollten bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit ein offenes Gespräch mit ihrer Frau führen, auf Augenhöhe. Und sie sollten beide darlegen, was sie von ihrer Beziehung zueinander erwarte und wo Verbesserungsbedarf besteht.“
Ohne auf eine Reaktion zu warten, wandte er sich wieder seiner Tätigkeit zu. Er fühlte sich seltsam ausgeglichen.
Ein nervöses Hüsteln entfuhr dem Anstaltsleiter, er zog sich eilig zurück und ließ den Bürgermeister mit leicht geöffnetem Mund zurück. Isving zuckte mit den Schultern. Mit verwirrtem Blick richtete der Bürgermeister seinen Anzug, bevor er ebenfalls bestimmt, aber nachdenklich zugleich davonstapfte.

Als Stormbinder die Ausführungen des Kampfes vor immer neu hinzuströmendem Publikum zu ermüden begannen, entschuldigte er sich, um „Rücksprache mit seinen Mitstreitern zu halten. Sie saßen noch immer auf den Stufen eines Hauseinganges. Der Ornithologe war verbunden, wach und konnte sogar wieder aufrecht sitzen (obwohl seine fesche Kleidung noch immer ruiniert war und blieb) und auch diese Raubkatze war noch immer an seiner Seite. Als Stormbinder sich ihnen näherte, verabschiedete sich gerade ein Mann in hochrangiger Uniform, der von zwei Wachen flankiert wurde.
„Ich hoffe, ich habe nichts Wichtiges verpasst.“, eröffnete er das Gesprächs angesichts der sehr wichtig wirkenden Person, die sich gerade entfernte.
„Wir haben eine Einladung von diesem Abgesandten bekommen“, erklärte Isving. Stormbinders Augenbrauen hoben sich in freudiger Erwartung. „Es gibt ein von der königlichen Armee gefördertes Programm für kleinere Gruppen unabhängiger Abenteurer, die flexibel für Unternehmungen für den Wächterrat eingesetzt werden sollen.“ Stormbinders Gesichtsausdruck kehrte sofort in die normale Ausgangsposition zurück, die seinen natürlichen Gemütszustand wiederspiegelte: Enttäuschung angesichts der Durchschnittlichkeit seiner Umwelt.
„Bis zu fünf Personen erhalten ein Grundbudget und eine erste Ausrüstung und werden auf Erfolgsbasis vergütet.“
„Ihr habt euch hoffentlich nicht auf dieses ausbeuterische Angebot eingelassen und stattdessen eine sofortige Belohnung verlangt?“
Isving, Temminck und Mellagan täuschten Blicke, die darauf hindeuteten, dass keinem von ihnen dieser Gedanke gekommen war.
Ehrlich gesagt war ich überrascht, dass wir angesprochen wurden, nachdem wir in die Sache eher so…“ sie senkte die Stimme zu einem Flüstern „… reingeschliddert sind.“
„Und ich würde gerne mit einer Aufwandsentschädigung – wieder hinausschliddern“, entgegnete Stormbinder unter Betonung des letzten Satzteils.
„Meine Studien erwarten mich und dieser Tag, den ich hier mit vergeudet habe, war ein derber Rückschlag.“
„Ihr wollt nicht mitmachen?“, wurde er von Temminck unterbrochen, bevor er sich in Rage reden konnte.
„Mitmachen? Wobei?“
Er blickte sie nacheinander an. Der eine war halbtot aus ihrem Abenteuer herausgekommen. Die Verrückte sah nicht viel besser aus und der Pfleger? Was war eigentlich sein Beitrag gewesen?
„Es bedarf etwas an Verbesserung bei der Zusammenarbeit, aber angesichts der Tatsache, dass wir stark improvisiert haben- “
„Die Akademie erwartet meinen Bericht. Einen schönen Tag noch.“
Stormbinder unterbrach Isving in ihrer zur Hälfte ausgeführten Analyse und ließ sie und die anderen beiden stehen.
Mit bestimmtem Schritt ging er an der Abordnung der Stadtwache und den Schaulustigen vorbei. Als er sich an einigen Männern des Bauhofs vorbeischob, die damit begonnen hatten, die Trümmer aufzuräumen, kamen sie in sein Blickfeld: ein Grüppchen Robenträger in Saphirblau, die in einiger Entfernung an einer Häuserecke standen. Seine Kollegen. Er hob grüßend die Hand, aber sie schienen zu sehr in ihr Gespräch vertieft, um ihn zu bemerken. Es musste ein erheiterndes Thema sein, denn plötzlich hob einhelliges Gelächter an. Ausgelassenes Gelächter, von der hässlichen Sorte.

„Wisst ihr was, vielleicht komme ich doch besser mit, um sicher zu gehen, dass ihr nicht über den Tisch gezogen werdet.“
Isving, Temminck und Mellagan hatten ihre Treppe noch nicht verlassen und blickten zu ihm auf, als er zurück gekommen war.
„Gut. Das ist eine gute Idee“, nickte Isving und die anderen beiden murmelten Zustimmung. Allein an Mellagans Blick war etwas anklagend Durchschauendes, aber das war nach einem Blinzeln verschwunden. Also brach die Gruppe in neu gefundener, vorübergehender Eintracht auf, ihre Zukunft ins Auge zu fassen.

Während unsere frisch zusammen geraufte Abenteurergruppe gerade ihren ersten Erfolg erlebte, bebte einer der Trümmerhaufen um Inneren der verwüsteten Nervenheilanstalt. Ein staubiger Arm windete sich zwischen den Brocken aus Mauerwerk und Putz gen Himmel wie ein neu gekeimter Sprössling. Dann schlug er mit der flachen Hand zu, auf der Suche nach etwas, das Halt geben konnte. Ein Tritt folgte, der eine Öffnung in dem Trümmerhaufen schaffte und ein staubbedeckter Elf befreite sich aus seinem verfrühten Grab.
Er tastete sich ab, um festzustellen, dass er keine bleibenden Schäden davon getragen hatte und dass etwas fehlte. Er tauchte in dem Trümmermeer nach seinem Bogen und zog ihn nach kurzer Zeit hervor. Die Sehne war gerissen und ein Stück des Holzes abgebrochen.
Er schaute sich um. Er war allein. Nicht weit von ihm lagen die übrig gebliebenen Einzelteile des gesprengten Insekts. Neugierig trat er heran und stupste eines der großen Beine an, das in einer Pfütze gelber Flüssigkeit schwamm. Er begann die letzte halbe Stunde zu analysieren. Er verstand sie nicht. Er verstand, dass die Stadt gefährlich war und dass er wieder in den Wald gehen sollte. Wo war der Mann mit dem Raubtier? Stimmen wurden lauter, als sich der erste Trupp Städter zum Kundschaften und Aufräumen in den Innenhof traute. Der Elf machte sich aus dem Staub. Er zog sich zum restlichen noch stehenden Mauerwerk zurück und begann wieder zu klettern. Seine Glieder schmerzten. Er war sehr aufmerksam und achtete sehr genau darauf, was er berührte. Er wollte nicht noch einen „Ausbruch“. Als er den ersten verursacht hatte, war er schnell zum Fenster gerannt, aber der Boden war unter seinen Füßen zusammen gebrochen und er hatte sich auf einem rankigen Dornengestrüpp wieder gefunden. Er war geklettert und geklettert, bis das Wachstum der Pflanze sich verlangsamt hatte. Er fand eine Stelle, die nicht aus Pflanze, sondern aus Bauwerk bestand, sprang darauf und konnte von dort aus die Vorgänge im Innenhof beobachten. Im Nachhinein war ihm nicht mehr klar, warum er das getan hatte, anstatt zu fliehen. Wo war der Mann mit dem Raubtier?


Er kroch durch einen Durchbruch in der Wand und blickte auf di Straße. Die Menschenmenge, die er erblickte, machte ihn nervös, aber ihr ständiger Lärm beruhigte ihn wieder. Nie war er so einfach, unbemerkt zu bleiben, wie in dieser Stadt. Er entdeckte sie. Der Mann und das Tier hatten eine Gruppe Leute um sich geschart, die gleichen, die auch im Innenhof gekämpft hatten. Er hatte sie einen nach dem anderen im Visier gehabt, sich aber letztendlich für das dicke Insekt entschieden. Er sah, dass sich ihre Münder bewegten und vermutete, dass sie Krach damit machten. Auch ein Konzept, das ihm nicht gefiel. Einer ging. Nach kurzer Zeit kam er wieder. Der Elf verstand, dass sie nun aufbrechen würden. Er huschte weiter, ihnen auf der Spur. Er haderte mit sich. Seine Neugier hatte ihn aus dem Wald geführt, in die Stadt, fast in den Schlund einer carnivoren Pflanze und jetzt hatten sich noch mehr Ziele zum Belauern dazugesellt. Gefährliche Ziele. Er musste vorsichtig sein. Die Gruppe verschwand um eine Ecke und dann in einen Hauseingang.

Der Elf fand ein Fenster, von dem aus er weiter beobachten konnte. Die Gruppe stand vor einem schwer gepanzerten Mann, dessen Mund sich bewegte. Hätte der Elf Lippenlesen können und wäre ihm das Prinzip einer Unterhaltung vertraut, hätte er mitbekommen, wie sie in den Grundzügen des Abenteurertums eingewiesen wurden und wie sie vor die Wahl zweier Aufträge gestellt wurden. Er hätte die Diskussion bemerkt, die darum entbrannte, ob man wirklich den lukrativeren, da gefährlicheren Auftrag annehmen sollte, der durch ebenjenen Wald führte, den der Elf erst vor kurzem verlassen hatte. Aber er fühlte die steigende Aufregung, als der dunkelhaarige Elf schließlich einschlug. Er verfolgte, wie sie sich aus einer Kammer mit Ausrüstung bedienten. Er folgte ihnen quer durch die Stadt, erst zu einem Wirtshaus, dann weiter, wo sie sich aufteilten und der hellhaarige Elf sich vom Rest trennte, der zur Magierakademie ging. Dort ging er hinein und ließ sie eine ordentliche Weile warten. Eine Zeit, die der Waldelf nutzte, um etwas zu essen zu besorgen. Die Prozedur erstreckte sich über den ganzen Tag und auch den nächsten. Sie trennten sich, kamen wieder zusammen, gingen mal hierhin, mal dorthin. Er wurde schon stutzig, ob das eine Verwirrtaktik war, um ihn abzuhängen. Aber er blieb hartnäckig. Am dritten Tag wurde er endlich belohnt.
Sie standen am Stadttor, durch das der Mann auch herein gekommen war. Er winkte der hilfreichen Wache zu die wieder an ihrem Posten stand. Der Wachmann nickte zurück und starrte der jetzt bis an die Zähne bewaffneten und gut beladenen Gruppe noch lange nach So merkte er nicht, wie der Elf an ihm vorbei aus der Stadt hinaus huschte. Eine freudige Erregtheit hatte ihn ergriffen, als er verstanden hatte, wo es hinging.
Zurück in den Wald. In seinen undurchdringlichen, unerschlossenen, tödlichen Wald, der ihn sicher schon vermisst hatte. Und von hier an würde es weiter gehen, weiter in die Welt. Die Stimmen der Gruppe begannen vertraut zu klingen. Auch wenn er nicht verstand, was gesprochen wurde, konnte er der Stimmung und dem Tonfall folgen. So war er unwissentlich ein Teil geworden von ihnen, ein unsichtbarer, fünfter Mann. Als sie am Abend ihr Lager aufschlugen und sich um ein Feuer versammelten, fühlte er sich fast ein bisschen heimelig oben auf seinem Ast. Sie würden noch viel gemeinsam erleben.


 

 

Zurück

 
  [Kontakt: Kekskoenigin-Giselle@web.de][Disclaimer]