Die Psychoelf Saga

Akt 1 - Teil 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6

Akt 2 - Teil 1 - 2 - 3 - 4 - 5

Akt 3 - Teil 1 - 2 - 3 - 4

Mellagan sah, dass Temminck Schwierigkeiten hatte aufzustehen und er zwang sich, gegen den Einspruch seines Hirns loszulaufen, auf die Gefahr zu. Meistens, auch in diesem Fall, behielt sein Hirn jedoch Recht, denn das Insekt hatte beschlossen, den blinden Passagier auf seinem Rücken zu vernachlässigen und sich wieder seiner Beute zuzuwenden. Er hätte sich heute frei nehmen sollen. Er hätte schon längst kündigen sollen. Noch einmal fokussierte er die Energie durch den Kontrollstab und richtete ihn auf das Monstrum. Es zeigte wenig Wirkung. Ein Feuerball traf den gelb leuchtenden Giftsack auf dem Rücken des Tieres, aber hinterließ nur einen qualmenden Fleck. Isving begann mit einem der Messer erneut auf das Insekt einzustechen, prallte ab, brach mit dem nächsten Hieb durch, versenkte das Messer an immer neuen Stellen in den Leib des Tieres, während sie sich mit dem anderen Arm am zweiten Messer festhielt, das ihr wie ein Bergsteigerhaken Halt auf dem Rücken des Monstrums gab. Obwohl ihr Arm bald gelb von den austretenden Sekreten des Insekts war, ließ es nicht von Temminck ab. Es verstand nicht, woher der Schmerz kam, denn es sah nicht, wer ihn verursachte. Mellagan zögerte, blieb außer Reichweite stehen. In Reichweite zu gehen war Selbstmord – er konnte nichts tun. Das Insekt hatte sich so hoch über Temminck aufgerichtet, dass es ihn an einem Stück würde verschlingen oder zerquetschen können. Isving war außerhalb seines Sichtfelds hinter den tausenden Augen des Insekts verschwunden.

Ein Knurren, ein Brüllen und mit einem mächtigen Sprung versenkte die Raubkatze Krallen und Reißzähne in die linke Greifschere des Insekts. Ein lautes Knacken war zu hören, das Brechen eines Panzers, Reißen von weichem Fleisch, als die Katze sich mit jedem Muskel ihres Körpers gegen ihre Beute stemmte. Sie brach die Zange heraus, als wäre sie das Bein eines Hummers. Jedoch war dieser Hummer voll gelber Flüssigkeit, die hervorsprudelte. Das Insekt hisste und versuchte nach dem Angreifer zu schnappen. Es senkte seinen Oberkörper und begann sich um sich selbst zu drehen. Mellagan ergriff die Chance. Er packte Temminck um den Oberkörper und zerrte ihn weg von dem Monstrum, dessen Beine gefährlich nah neben ihnen auf den Boden schlugen. Temminck blutete am Kopf und an diversen anderen Stellen und schien nicht ganz bei Bewusstsein. Mellagan hörte auf einmal die Elfe lachen. Sie zog sich mit beiden Händen über den Rücken des Insekts. Ihre Messer hatte sie nicht mehr. Aufhören mit dem Lachen wollte sie auch nicht Trotz ihrer immer noch hochgefährlichen Situation überkam Mellagan eine Panik, die er noch nie zuvor gespürt hatte. Er raffte sich Temmincks Arm über die Schulter.

„Feuer!“, rief Isving über ihre Schulter und es war ein Befehl. Sie sprang auf den Boden und rannte, wieder wie eine Irre lachend los.
„FEUER!“
Dann sah Mellagan, wo ihre Messer steckten. Sie hatte damit eines der Fluginsekten am Hinterleib des Muttertieres fixiert.
„NEIN!“, brüllte Mellagan Stormbinder zu, „ Nicht feuern! Nicht!“
Er wusste nicht, ob Stormbinder die Situation richtig verstehen würde, stieß sich mit den Füßen ab und lief so schnell man mit einer weiteren Person beladen vom Fleck kommen konnte, los.
Es passierte nichts. Keine Explosion.
„Schieß endlich, schieß!“, schrie die Elfe.
Sie kam zurück gerannt und brüllte Stormbinder an. Endlich bemerkte er sie. Er hatte seine Zielkünste verfeinert und das letzte Fluginsekt mit einem gezielten Angriff auf die Enden der silbrigen Flügel vom Himmel geholt. So eine ungeplante Explosion würde ihm nicht noch einmal passieren! Er war doch kein unzivilisierter Warlock. Er sah Isving, die weit von ihm entfernt auf das Monstrum deutete. Er sah den Pfleger, der den Ornithologen wegschleppte und die Katze, die von dem Monstrum abließ und lossprang. Er hielt die Flamme in seiner Hand am Züngeln. Dann hörte er ein Surren in der Luft. Er glaubte, das gefiederte Ende eines Pfeils schwirren zu sehen. Und dann brach die Hölle vor ihm los. Das Mutterinsekt zerplatzte in einem Flammensturm, der alle bis auf ihn von den Füßen hob. Schnell schützte er sein Gesicht mit beiden Armen, doch in kluger Voraussicht hatte er seinen Abstand sicher gewählt.
Während die schlagartige Entladung der Explosion nur noch schmorende Beinstümpfe von dem Insekt zurückließ, begann sich um ihn herum die Vegetation zurückzuziehen, zu verwelken, zu verschwinden. Weitere Teile der Architektur kamen herunter und schlugen zwischen ihnen im Hof ein. Bald war das Schauspiel so schnell vorbei, wie es begonnen hatte und durch das Geräusch von bröckelnden Gestein war das überschwängliche Lachen der Elfe zu hören, das schließlich abebbte und verstummte.

Stormbinder sah sich um. Außer ihm stand niemand mehr aufrecht, um ihn herum ragte die Ruine der ehemals das Stadtbild prägenden Heilanstalt auf. Er verzog unzufrieden die Mundwinkel. Ein Husten ertönte neben einem Geröllhaufen, wo Mellagan langsam auf die Beine kam. Auch die Elfe richtete sich zögerlich auf, wenn auch ihre Langsamkeit weniger von einer körperlichen Beeinträchtigung, als von geistiger Verunsicherung herrührte. Er hatte keine Ahnung, wie sie ins Szenario passte, aber da war diese Raubkatze, die vorsichtig dem Ornithologen das Gesicht abschleckte.

Ohne ein Wort zu wechseln fanden sie zueinander. Temminck, den es am schlimmsten erwischt hatte, wurde von Isving und Mellagan gestützt. Als sie auf die Straße schlurften und der Staub sich legte, standen sie alle da. Eine Abordnung der Stadtwachen, gut afugestellt, aber regungslos und zwei ihrer Kommandeure, die nach einem Wortgefecht über die Wahl der Vorgehensweise verharrte waren und jetzt die aus den Trümmern hervortretende Gruppe anstarrten. Das hatten sie mit einer Menge Schaulustiger gemeinsam, dem Anstaltsleiter, dem Bürgermeister, einer Handvoll Zauberwirker von der Magierakademie und einer Gruppe raubeiniger und bis an die Zähne bewaffneter Söldner.

Bei so einem Empfangskomittee blieben die vier nach einigen Schritten gleich wieder stehen. Jubel brach aus. Unbegründeter, zügelloser Jubel. Isving zuckte zusammen. Mellagan sah sich suchend um, Temminck entwich ein leises Stöhnen und Stormbinder blinzelte, während sich das Raubtier knurrend hinter die Gruppe zurückzog. Plötzlich umschwärmten sie die Menschen, jemand klopfte Stormbinder auf die Schulter.


 

 

Zurück

 
  [Kontakt: Kekskoenigin-Giselle@web.de][Disclaimer]