Die Psychoelf Saga

Akt 1 - Teil 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6

Akt 2 - Teil 1 - 2 - 3 - 4 - 5

Akt 3 - Teil 1 - 2 - 3 - 4

Es ertönte ein tiefes Grollen aus tief aus den Innereien des Gebäudes, das ihn in Richtung des Innenraums blicken ließ, wo auch der Patient die Hand vom Kinn genommen hatte und aufhorchte. Dann ließ der Krach von splitterndem Holz, berstenden Wänden und Fensterscheiben beide herumfahren. Als all das vor ihrem Fenster herunter kam und Staub von der Decke zu rieseln begann, sprangen sie auf und zur Tür. Gerade, als Mellagan sie aufriss, brach auch in ihrem Zimmer eine monströse Ranke ihren Weg zwischen einem Deckenbalken und Putz hindurch in den Innenraum, als handelte es sich um frisch gedüngte Muttererde.

Im bereits völlig zerstörten und überwucherten Flur stand Stormbinder, um ihn Rauchschwaden und zwischen den kriechenden und pulsierenden Ranken Glutnester und schmorende vielbeinige Fauna, die von seiner Selbstverteidigung herrührten. Sie starrten sich an, alle mit einem gleichermaßen ähnlich entsetzten Gesichtsaudruck. Stormbinders Mundwinkel zuckten in Erklärungsnot.
„Das… bin ich nicht gewesen.“

Mellagans Hirn stritt sich noch über die Kapazitäten, sich über das soeben Geschehene klar zu werde und das vierundachzigste Mal in diesem Monat über seine Kündigung nachzudenken, da schoss erneut eine Ranke hervor. Stormbinders Hand zuckte blitzschnell in diese Richtung und ein gut gezielter Feuerball verkohlte sie zu einem traurigen Rest.
„Ha!“, stieß Temminck in Erstaunen hervor,
Beeindruckend!“
„Herzlichen Dank!“, sagte Stormbinder und löschte mit einer schüttelnden Handbewegung die restlichen Fünkchen.
„Hier entlang.“


Mellagan hatte sich über sein streitendes Hirn hinweg zur Flucht entschieden und wandte sich richtung Treppe. Weiter unten hatte die Flora bereits ein solides Geknäuel gebildet, aus dem stachelige Pusteln hervorwuchsen, die mit einer gelb leuchtenden Flüssigkeit gefüllt zu sein schienen. Mellagan drehte sich um hundertachtzig Grad und fasste stattdessen den Gang vor ihm ins Auge. Auch hier kroch die Vegetation entlang, blockierte aber noch nicht komplett den Weg.
„Haben sie nicht gesagt, die Konferenz beginne erst am Nachmittag?“, fragte Stormbinder, dessen Stimme noch immer einen leicht beleidigten Unterton ausstrahlte. Es schien ihn mehr zu beschäftigen, dass seine Person nicht ausreichend gewürdigt wurde, als die Tatsache, dass er möglicherweise schon bald Pflanzendünger sein könnte.
Es gibt keinen Kongress!“, schnauzte Mellagan kurz angebunden. Er bog links um die Ecke, wo ein panisch schreiender Fleger auf sie zugerannt kam, ihn anrempelte und beinahe umstieß und rechts den Gang hinunter raste. Ein kurzer Moment der Empörung über diese Unhöflichkeit überkam Mellagan und er wollte ihm wütend etwas hinterher rufen, aber als ein gigantischer dorniger Schlund vor dem unhöflichen Kollegen aus der Wand schnellte, ihn am Stück verschlang und sofort in eine geschlossene Ruheposition verfiel und so lauernd verharrte, bis sein nächstes Opfer in seine Reichweite kam, wurde er in die absurde, jedoch tödliche Realität zurückgeholt.

„Ich empfehle die andere Richtung“, murmelte Temminck, also bogen sie in diesen, äußerst langen und düsteren Korridor ein. Düster und still. So still, dass man das Wachsen der Ranken um sie hören konnte. So still, dass..

„Hallo?“, rief eine Frauenstimme aus einer der angrenzenden Türen heraus.
„Hallo! Lebt noch jemand?“ Eine angesichts ihrer Situation äußerst berechtigte Frage.
„Hallo?“, fragte Mellagan zurück, als sie vor der Tür angekommen waren.
Die stabile Zellentür fügte sich in eine Reihe identischer Türen ein. Kräftiger Rankenwuchs hatte sie einerseits halb zerstört, andererseits den Ausweg blockiert. Es war eine Frau, eine Elfe mit langen weißen und etwas zerzausten Haaren, die sie durch einen Spalt hindurch ansah.
„Oh, hi!“, sagte sie mit sichtlicher Erleichterung. Sie steckte in einer Zwangsjacke. Ihr schiefes Lächeln sollte harmlos hilfsbedürftig wirken, vernichtete aber stattdessen den letzten Rest Vertrauenswürdigkeit.
„Wie sieht’s aus? Ist die Lage unter Kontrolle?“, fragte die Zellenbewohnerin schnell. Alles blickte Mellangan an. Er wusste es nicht.
„Sieht nicht so aus.“ Da war wieder dieser vorwurfsvolle Blick, als Stormbinder die Arme verschränkte.
„Dann wird die Anstalt evakuiert?“ Noch so eine Frage. Mellagan erinnerte sich jetzt an die Patientin. Sie war beim Militär gewesen, Führerin einer kleinen Einheit sogar. Man hatte sie eingeliefert, nachdem man sie als einzige Überlebende lachend in einem Bombenkrater aufgelesen hatte. Sie beteuerte keine Ahnung zu haben, wie „es“ geschehen konnte.

„Wir sind auf dem Weg nach draußen ja. Die Vegetation ist nämlich hungrig.“, legte Temminck dar.
„Könntet… ihr mich vielleicht, naja, mitnehmen?“
Wieder blickten alle Mellagan an.
„Ich habe keinen Schlüssel.“, sagte er schnell, was auch stimmte. Während er sich noch überlegte, wie er die potentielle Gefahr, die von dieser Person ausging, den anderen mitteilen konnte, ohne wie ein absolut herzloser Unmensch darzustellen, griff Temminck nach einem der langen Stäbe, die zwischen den Zellen mit einem roten Faden in einer Halterung an der Wand befestigt waren und machte sich daran, die Tür weiter aufzubrechen. Mellagan öffnete den Mund zu einem angefangenen, aber viel zu leisen „Ha-“ und sprach die Aufforderung nicht zu Ende. Kaum war eines der Bretter aufgebrochen, schlüpfte die Elfe durch den entstandenen Spalt.
„Vielen Dank! Da habe ich noch einmal Glück gehabt.“ Trotz ihrer Situation schien die Frau Optimistin zu sein und bedachte ihren Retter mit einem breiten Lächeln. Und obwohl es von einer Verrückten kam, schien Temminck sehr stolz darauf zu sein, es sich verdient zu haben.
„Ist das ein Offensivstab?“, fragte Stormbinder und deutete auf Temmincks zweckentfremdetes Brecheisen.
„Nur für therapeutische Zwecke“, sagte Mellagan schnell und nahm den Notfallstab an sich, bevor der Magier ihn durch eine Fehlanwendung kaputt machen konnte. Außerdem hatte er jetzt etwas zur Selbstverteidigung. Ob sich Ranken ruhig stellen ließen, wusste er nicht, aber er würde es wahrscheinlich heute herausfinden.
„Ist da noch jemand?“, rief Temminck ohne Vorwarnung und in einer Lautstärke, die die anderen zusammenzucken ließ. Der Korridor verfiel wieder in Stille. „Soweit ich weiß, war ich die einzige Patientin auf dieser Station.“, sagte die Elfe und suchte eine bequemere Position in der Zwangsjacke.
„Was ist das?“, fragte Temminck.
„Eine Zwangsjacke.“
„Wozu ist eine Z-“
„Können wir dann?“, schaltete sich Mellagan ein. Er wusste, wohin diese Unterhaltung führte und es gefiel ihm nicht.
„Einen Moment noch, wenn ich kurz dürfte?“
Temminck, der sich vor einer etwa halben Stunde selbst eingeliefert hatte, öffnete nun die Ärmel an der Zwangsjacke der gefährlichsten Person in der ganzen Einrichtung. Unstabil und völlig uneinschätzbar.
Wenn ich nicht kündige, festigte sich Mellagans Entschluss, werde ich gefeuert.
„Das sollte besser gehen.“
„Ja, tatsächlich. Vielen Dank.“ Die Elfe wickelte die viel zu langen Ärmel um die jeweiligen Arme und wirkte jetzt noch zufriedener.
„Fein. Hier entlang bitte.“, sagte Mellagan und ging weiter. Warum ging er eigentlich vor? Wenn ihm etwas zustieß, hatten sie noch weniger Chancen herauszukommen.
Ohne gefragt zu haben, schlich die Patientin an ihm vorbei und huschte sehr geschwind den Gang hinunter. Sie blieb am Ende stehen, sah vorsichtig und sehr fachmännisch um die Ecke, dann winkte sie ihnen zu. Fünf Minuten später hatten sie einen Raum ausgemacht, der noch fast unversehrt war. Es war die Küche der Kantine.

 

 

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