|
||
23 ...und wie sich die anderen so schlagen 26 Ohne Antworten in die Endrunde 27 Lebensfrost
Tag 1 –Welcome
Ein Murmeln ging durch die versammelte Teilnehmerschar. Die Ritterinnen sahen sich gegenseitig an, eine so ungläubig wie die andere. Ohne weitere Erklärung kehrte der kleine Mann ihnen wieder den Rücken zu, immer noch auf dem Kopf der großen Seeschlange stehend. Die gab einen zischelnden Laut von sich, kniff die Schlitzaugen zusammen und tauchte unter. Das Murmeln der Menge verwandelte sich in ein Raunen. „Nun, meine Damen“, sagte André und trat vor, „sagte er nicht, wir sollten ihm folgen?“ „Sollen wir vielleicht tauchen?!“, schnaubte Lika und stützte die Arme in die Seiten. „Naja...“, erklärte André, „Ich dachte eigentlich, wir hätten eine Hexe dabei...“ Er linste linkisch grinsend zu Thalia herüber. Sie stand grübelnd da und starrte auf den See. Dann nickte sie und meinte: „Überlasst das mir!“ Die Hexe trat direkt an das Wasser und schloss die Augen. Als sie dann ihre Arme zu den Seiten hin ausstreckte, bildete sich eine Luftblase um sie herum. Zufrieden öffnete Thalia ihre Augen wieder und meinte: „Worauf wartet ihr noch? Kommt rein!“ Adarwen sah sich nach links und rechts um. Auch andere Gruppen hatten sich daran gemacht, eine magische Lösung für das nasse Problem zu finden. Nicht wenige benutzten solche Luftblasen. „Die müssen aber einen dicken Geldbeutel haben... Na, wär das nichts, Nea?“ Sadira drehte sich grinsend um, aber Nea war nicht da. Die andere Blase hatte sie jetzt überholt. Ein kleines Mädchen, an der Hand einer erwachsenen Frau, hatte sich zurückgedreht und starrte sie an. Auch sie war reich geschmückt, aber auffälliger war der schwarze Abdruck auf ihrer Stirn, der aussah wie ein Blatt. Auf einmal streckte das Mädchen die Zunge heraus. „Diese Göre!“, empörte sich Lika, Sadira bähte zurück. Fängt ja toll an., dachte André. Umso weiter sie kamen, desto klarer wurde das Wasser. Kleine Lichter trieben überall um sie und ließen die Luftblasen gespenstisch schimmern. Mit dem Licht wurden auch zwei große, weiße Säulen sichtbar, die den Torbogen hielten, damit der Durchgang nicht von den Felsmassen darum verschüttet wurde. Das war der Punkt, wo man sich ernsthaft fragen musste, ob das hier noch ein See war. Die Seeschlange verschwand im Durchgang, was hieß, dass sie ihr wohl oder übel folgen mussten. „Seeungeheuer werden sich auf uns stürzen, Speere stoßen aus den Wänden hervor, doch wir weichen aus! Links – rechts, aber dann ist da dieser riesige Igelfisch, der -“ Der Durchgang stellte sich als enge, aber ungefährliche Röhre heraus, die nach kurzer Zeit steil nach oben führte. Sie endete in einem Wasserbecken, das sich in einer großen Halle befand. Die Luftblase der Ritterinnen erreichte die Oberfläche mit drei anderen gleichzeitig. Um sie herum schwamm die Seeschlange ihre Kreise. Sie schafften es an den Rand des Beckens, dann zerplatzte die Blase und sie standen wieder an Land. Zeit sich in der großen Halle umzusehen. „Willkommen in den Räumlichkeiten des Turniers des gemeinsamen magischen Reiches. Dürfte ich erfahren, wer sie angemeldet hat?“, begrüßte sie ihre Instrukteurin. André hob leicht grinsend seine Hand. Es war nicht zu übersehen, dass offensichtlich viele, teils sehr seltsame Gestalten, Adarwen zu kennen schienen. Andauernd verfolgten sie Blicke, es wurde gewunken oder zugezwinkert. Adarwen wurde schon richtig verärgert. Die Losziehung war nicht weiter spektakulär. Durch eine gezogene Nummer wurde man seinem Gegner in der Vorrunde zugeteilt, um Chancengleichheit zu schaffen. Als André, Sadira und Thalia ihre Nummern gezogen hatten(für die Schattenfuchsjagd gab es keine Vorrunde, dafür wussten Lika und Adarwen immer noch nicht richtig, was sie erwartete), stand ihre Willkommenstante wieder bereit. Sadira schaltete ab. Sie würde so wieso später eine der anderen fragen. Im ersten Untergeschoss befand sich dann ihr Zimmer, das eigentlich ziemlich geräumig war. „Bitte erscheinen sie in zwei Stunden zu ihren Kämpfen, über die Aufstellung können sie sich in einer Stunde in Halle zwei informieren. Das war‘s.“ Zum Glück, dachte Sadira.
Thalias erste Runde...Es war eine äußerst ungünstige Verteilung der Kampfplätze: Die magischen Vorkämpfe fanden unten im zweiten UG statt, Lanzenreiten logischerweise draußen im Freien und die normalen Kämpfe auf dem Dach. Adarwen und Lika saßen in der Zwickmühle. André musterte die Wächter mit Unbehagen. Sie betraten die Halle und mussten feststellen, dass diese schon ziemlich voll war. Überall um die Ringe hatten sich Gruppen gescharrt, Schiedsrichter in roten Roben liefen auf und ab. Auf dem großen Banner, das an der Wand hing, stand: „Harmonie herrscht“. „Mh. Jetzt stell dir mal vor, alle Schwarzmagier hier tun sich zusammen und greifen auf einmal die Wächter an...“, begann Adarwen zu phantasieren. „Schade.“, seufzte Lika. „Was ist daran bitteschön schade?“, zischelte Adarwen, aber Lika war abgelenkt, weil sich gerade Thalias erster Gegner auf der anderen Seite des Rings eingefunden hatte. Es war ein junger Magier, fast noch ein Kind. Seine zu große Robe und die Unsicherheit, die er in großen Maßen ausstrahlte, ließen ihn nun wirklich nicht gefährlich wirken. Dann entdeckte er Thalias Phönix und schaute ganz fasziniert. „Alle Zuschauer werden gebeten, sich vom Ring fernzuhalten!“ „Sei nicht zu grob zu ihm!“, rief Lika ihr von draußen zu und der Junge schaute noch entsetzter. Na toll. Thalia ballte ihre Hände zu Fäusten, dann entspannte sie sie wieder zur Lockerung. Der Schiedsrichter räusperte sich. Wegen ihr konnte es losgehen. „Brenne!“ Sie war doch ganz überrascht, als er sie mit Feuer angriff, weil Feuer bei weitem am schwersten zu kontrollieren war. So ganz funktionierte es auch nicht. Anstatt dass ein Kegel aus Flammen aus seinen Händen kam, schossen Feuerkugeln hervor. Sie rasten ohne Kontrolle auf Thalia und den Schiedsrichter zu, prallten an ihrem Schild ab und knallten mit voller Wucht gegen die magische Barrieren. Der Magierlehrling duckte sich, als ein Feuerball auf ihn zuschnellte und knapp über seinem Kopf verpuffte. Schwarzer Rauch stieg vom Ring auf, der alle darin zum Husten zwang. Die Zuschauer sahen gar nichts mehr. Thalia schüttelte den Kopf. So ging man wirklich nicht mit Feuer um. Sie blinzelte und mit einem Rauschen loderte zu Füßen ihres Gegenübers eine Stichflamme auf, die seine Robe in Brand setzte. Er schreckte zurück und stolperte aus dem Ring. „Die Siegerin ist die Hexe im weinroten Kleid.“ Sich den Schmutz von der Kleidung klopfend stieg Thalia aus dem Ring. Gerade eilte ein Helfershelfer herbei, um die Flammen zu löschen, doch auf den Befehl der Hexe hin verschwanden sie von selbst. Der blaue Phönix erhob sich von Adarwens Schulter und nahm wieder seinen Stammplatz ein.
...und wie sich die anderen so schlagen Es tat gut, wieder an der frischen Luft zu sein. Herrlichster Sonnenschein ließ die Banner in den leuchtendsten Farben strahlen, das Gras duftete und Pferdewiehern lag in der Luft. Der Austragungsort selbst war eine lange Bahn, auf der die zwei Gegner, durch eine Holzlatte von einander getrennt, aneinander vorbei reiten mussten. Die Tribünen zu beiden Seiten waren erst zur Hälfte besetzt, es war noch Zeit. „Ich sollte mich einreiten.“, murmelte André und stapfte ohne weiteres los. Er wirkte weggetreten, schon seit sie wieder im Freien waren. Als André vor ritt und seine Lanze in Empfang nahm, wurde er von einigem Gelächter begleitet. Das lag unter anderem daran, dass ihn viele erkannten – als Sekretär, nicht als Ritter. Und seine leichte Rüstung unterstrich noch mal sein Warmduscher – Image. „Autsch...“ Ein Raunen ging durch die Menge. Von Andrés Lanze waren vorne nur noch Splitter übrig. Sie war an der Rüstung des anderen zerschellt. André ritt einen Halbkreis, der andere Ritter wurde von seinem Pferd am Steigbügel hinterher geschleift.
Auf dem Weg zum Dach kam Lika so mancher humpelnde Krieger entgegen. Sie blickte (oder blickte lieber nicht) in lauter Gesichter mit blauen Augen, geschwollenen Lippen und blutenden Nasen. Wirklich gute Zeichen. Und als sie oben ankam und die Zuschauertribüne betrat, brach das versammelte Publikum in Toben aus. Nicht wegen ihr, wegen Sadira unten im Ring. Sie hatte einen weiteren grandiosen Sieg hingelegt und war in kurzer Zeit zum Liebling des Publikums geworden. Es war viel Publikum. Die ganze Dacharena war voll. Das Gejubel verebbte, als der nächste Kampf angesagt würde. Der Gewinner würde Sadiras nächster Gegner sein. Lika konnte sich den Kampf genau zwei Minuten lang ansehen, dann zwang sie ihr Magen, sich abzuwenden. Sie beschloss, ihre Freundin unten bei den Kämpferquartieren zu suchen. Ihr erstes Problem, die Wachechse beim Eingang der Räume, die nur für die Kämpfer da waren, trat einen Schritt beiseite, als sie vorbei wollte. Die Ställe waren ebenfalls von Wachechsen bewacht, aber sie wussten anscheinend, wer befugt war und wer nicht, denn wieder einmal wurden sie durchgelassen. Sie hatten zwei Reihen Pferdehintern vor sich und am Ende des Stalls stand eine Schlange an Reitern, die sich in eine Liste eintragen ließen. André hatte das schon hinter sich und kam winkend zurück. Er ging ein bisschen komisch, aber er sah zufrieden aus. „Und schon bin ich eine Runde weiter!“
Also ging er schon einmal vor zu ihrem Zimmer und Sadira und Lika gingen Thalia und Adarwen abholen. Sie fanden sie, wie sie an einem Blumenkübel stand, wo Thalia gerade ihre Stiefel hineinleerte. Sie war klatschnass. Auf dem Weg zu ihrem Zimmer kam die unauffällige Frage nach Nea auf, ob sie jemand gesehen habe... und auf einmal merkten sie... dass sie sie schon seit einem halben Tag nicht mehr gesehen hatten. Was vielleicht nicht aufgefallen war, weil es – normal war? Als André gerade die Tür öffnete, als sie ins Zimmer wollten, war die Frage aber wieder ganz schnell vergessen. Es gab eine Eröffnungsfeier?!! Wieso hatte ihnen das niemand gesagt?! „Ehm... ich hab’s gewusst...“, sagte Adarwen leise und hob vorsichtig die Hand. Danke auch, dass du das für dich behalten hast! „Ich an eurer Stelle würde mich beeilen. Es geht in...“, André sah hastig auf seine Armbanduhr, „...na...20 Minuten los.“ Umzieh – Marathon – Start!
Eine rundum unschöne FeierDie Eröffnungsfeier fand in der großen Eingangshalle statt, die Schalter waren nicht mehr vorhanden. Ein Teil war durch einen zusammengerafften, roten Vorhang abgetrennt worden. Dort standen einige Sessel und kleine Tische, jemand spielte auf einem Konzertflügel. Kellner liefen herum und verteilten Sektgläser an die Gäste. Wer hier war, war auf jeden Fall mindestens in einer Disziplin weiter gekommen, die Verlierer waren schon wieder nach Hause gefahren. „Weckt irgendwie Erinnerungen...“, meinte Thalia, als sie am Ende des Ganges standen und in die Halle blickten. Ihr Phönix auf ihrer Schulter pfiff sich erinnernd. „Buffet...“, sing-sangend schlurfte Sadira davon. „Dann wollen wir mal.“, seufzte Lika sich selbst beruhigend. Sie mochte solche Veranstaltungen nicht besonders und wusste auch nicht, was sie hier sollte. Und als hätte sie es vorher gewusst, stieß sie mit dem ersten Schritt, den sie in die Festhalle tat, mit jemandem zusammen. „Verzeih-“ Sie verstummte, als sie das Lindenblatt auf der Stirn des Mannes sah. „Hexenpack!“, murmelte er, drehte sich ab und ging weiter. Man sah bei Lika die Wut förmlich in den Kopf steigen. Adarwen wollte sie gerade noch aufhalten, aber es war zu spät. „Nehmen sie das zurück – sofort!“ Der junge Mann stoppte seinen Schritt und drehte sich langsam um. Jetzt stieß auch noch der Rest der Familie zu ihm. Man unterhielt sich, beachtete sie und ihn nicht weiter. Kurz angebunden, wie er war, antwortete der Spross der Familie kalt: „Ich entschuldige mich nicht bei Hexenpack.“ Lika wollte sofort etwas hinzufügen, da schaltete sich die Mutter ein. Einen Flügelschlag, von Churel, der aufflog. „Bleibst du hier!“ Sie schob sich zwischen Lika und Adarwen durch und brauste mitten durch die versammelte Familie, die zu den Seiten auswich, um ihren Phönix wieder einzufangen. „Schönen Abend noch!“ Adarwen schnappte sich Lika und die beiden verdünnisierten sich. Dieser Abgang war zwar nicht besonders würdevoll, aber es war ein Abgang – und das war die Hauptsache. Churel flog durch den ganzen Saal, wischte einem Kellner mit seinem Schweif durchs Gesicht (er konnte nur das Gleichgewicht halten, weil Thalia ihm mit Zauberkraft nach half). Die Wachechsen wurden schon unruhig, als der blaue Phönix unter dem roten Vorhang abtauchte und im ruhigeren Teil der Halle verschwand. „Guten Abend, ihr von der Fünftafel.“ Die drei Ritterinnen schreckten herum. Auf einem Sessel neben der Vogelstange saß eine Frau. Sie war wahrscheinlich schon die ganze Zeit dort gesessen, ihnen aber einfach nicht aufgefallen. Ihr Gesichtsausdruck war verträumt, ein leichtes, wissendes Lächeln lag ihr auf den Lippen. Langes, gewelltes, dunkelrotes Haar fiel über ihre Schultern. Sie war in leichten, dunkelblauen Stoff gehüllt, es konnte eine Robe oder auch ein Kleid sein, man konnte es wegen der Weite der Stoffbahnen nicht sagen. Ihre ringlosen, hellen Hände ruhten auf einer dunklen Kugel in ihrem Schoß. „Da sind sie ja tatsächlich! Wie ihr vermutet hattet, meine liebe Karmesin!“ Die Frau musste kurz kichern, als sie diesen Ausruf des Barons vernommen hatte. Seine Stimme war so laut, als er ihnen im Laufen zugerufen hatte, dass sich einige Köpfe ihnen zuwandten, sogar der Pianist hörte kurz mit seinem Klavierspiel auf. Hinter dem Baron her – wie konnte es anders sein – schlurfte ein eher ausgelaugt wirkender André. „Wer ist das?!“, zischelte Lika Adarwen zu „Bescheiden wie immer!“, lachte der Baron. „Sie ist eine Spitzen –Seherin! Sie glauben ja gar nicht, meine Damen, wie sich die Leute um eine von ihren Vorhersagungen reissen!“ Karmesin schloss die Augen zu einem bescheidenen Lächeln. „So leicht können sie drei der Fünftafel nicht überzeugen. Krähten sind ja besonders harte Brocken, aber da kein Fisch da ist, bleibt mir wohl nur die Suppe auszulöffeln.“ Fischmesser und Löffel – sprach sie davon? Thalia, Adarwen und Lika sahen sich verständnislos an. Karmesin öffnete ihre Augen wieder. „Davon sprach ich gerade eben.“ Lika nickte und murmelte verstehend. Also wusste sie auch von Nea. Und von deren Skepsis. Lika sah sich flüchtig um, konnte die Diebin aber immer noch nicht entdecken. Ihre Kristallkugel fiel herunter. Knapp über dem Boden fing André sie auf. „Am letzten Tag des Turniers wird ein großer Held von uns gehen.“ Nach der Voraussagung entschieden sie sich von der Party zu gehen. Lika suchte Sadira und fand sie bei einem Saufgelage, einem Trinkwettbewerb, wo sie gerade dabei war, den ersten Platz zu machen. Lika konnte sie nur durch Ziehen und Zerren wegbewegen. Da sich André nicht mehr hatte blicken lassen, war er auch nicht auf dem Gang zu ihrem Zimmer bei ihnen. Also konnten sie in aller Ruhe über die Prophezeiung nachdenken und ob er wirklich der „Held“ war. Auf einem der Betten lag ein Zettel mit der Aufschrift „Gutes Sicherheitssystem“. Das war für sie als Zeichen genug, dass sich Nea prächtig amüsierte. Auf in den nächsten Tag...
Eine offene RechnungSchon bei der Versammlung auf dem Platz vor dem See hatte Nea gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Gleich, als sie die Echse gesehen hatte, die auf einer Mondsichel saß, das Zeichen der Bestienritter. Andere mochten es auch bemerkt haben, geschulte Augen. Adarwen vielleicht und andere Spione, aber für sie hatte dieses Zeichen nicht im geringsten Sinne so viel Bedeutung wie für Nea. Sie war durch alle Gänge, über alle Dächer geschlichen, war ein Dutzend mal nur knapp den Wachechsen entkommen, aber sie hatte nicht mehr herausfinden können. Die Gruppe, die das Zeichen der Bestienritter mit sich herumtrug, hatte fremde Gesichter. Ihre Freundinnen benachrichtigen konnte sie nicht. Noch nicht. Sie wusste nicht, ob sie es irgendwann können würde, aber wahrscheinlich würde sie es müssen, jetzt, wo sich die Bestienritter wieder in ihr Leben einmischten. Sie hatte eigentlich gehofft, dass das nicht der Fall sein würde und ein weiteres Mal wurde sie gelehrt, dass es besser war, gar nichts zu hoffen. Geschäfte musste man abschließen, das wusste sie, auch als Diebin. Sie hätte nie einen Pakt mit diesen Leuten brechen sollen, nein, sie hätte gar nicht erst einen schließen sollen, aber... hatte sie denn die Wahl? Den ersten Tag hatte sie in Unruhe verbracht, über ihre Freundinnen gewacht und gleichzeitig die Augen offen gehalten. Als schließlich das Zeichen kam, war es schon spät. Nea erkannte sofort den schwarzen Vogel, der neben einem Gargoyle auf dem Erker der Außenmauer saß. Er flog auf, sobald sie ihn sah, wurde untrennbar eins mit der Dunkelheit. Dort wo er gesessen hatte lag ein Zettel. Umsichtig kletterte die Diebin bei Wind und Wetter hinauf. Auf dem Zettel standen Ort und Zeit, sogar eine Beschreibung, wie sie zu dem Treffen kommen konnte, einem Treffen mit demjenigen, den sie eigentlich nie wieder hatte sehen wollen. Ihre Vorsicht hatte es ihr beigebracht, immer früher da zu sein als gefordert, aber in diesem Fall hätte das böse enden können. Sie wartete bis zum Morgen des nächsten Tages. Nea nahm ihr Fischmesser vom Rücken und tippte damit auf den Fußboden. Bis zu einem bestimmten Radius wurde er durchschimmernd und sie konnte auf den Gang unter ihr sehen. Er war leer. Sie hangelte sich durch das soeben geschaffene Loch und sah sich erneut um. Über ihr wurde die Decke wieder massiv. Vor ihr war die Tür zur großen Bibliothek. Sie drückte die Klinke – nicht abgeschlossen. Auf einmal hörte Nea Geräusche, bekannte Stimmen, die sich dem Gang näherten. Schnell huschte sie zur Tür hinein. „Adarwen, bist du dir sicher, dass wir das dürfen?“ Die Spionin und Lika standen vor der Bibliothekstür und starrten auf das Schild „Äh, Adarwen, du hast da so ein komisches Lodern in den Augen...“ Lika wollte ja auch, aber ihr Gewissen war irgendwie anderer Meinung. „Meine Bibliothek ist aber größer!“ „Lika, halt die Klappe!“ Also war sie ruhig. Adarwen ließ ihren Blick über die Bücherrücken schweifen. Lauter Stoff, der zum Spionieren wie geschaffen war: Familienchroniken, Geschichtsschreibung, ASN-Berichte; sogar Tagebücher! Schnurstracks ging sie auf ein Regal zu und zog „Steckte das zwischen den Büchern?“, fragte sich Lika und hob es auf. „Das sind Zauberformeln!“, erkannte Adarwen sofort, „Lass es uns Thalia zeigen!“ „Aber – “ „Wir bringen es ja wieder zurück!“ „Na schön...“ Nea lauschte mit dem Ohr gegen die Rückwand des Regals gepresst. Ihr Herz hatte bis zum Hals geschlagen, als ihre beiden Freundinnen sich gerade an diesem Bücherregal zu schaffen gemacht hatten. Zum Glück hatten sie den Geheimgang nicht entdeckt, in dem sie jetzt war, der Geheimgang aus ihrer Nachricht. Als sich die beiden entfernten, machte sie sich erleichtert auf zu ihrem Treffen. Wenn sie Zeit hatten, im Gebäude herumzustreunen, war wohl nichts Außergewöhnliches passiert bis jetzt. Nea stieg eine schmale Wendeltreppe hinab, passierte noch einen einfach aus dem Stein gehauenen Gang. Er endete vor der Statue eines Gargoyles, in dessen Maul ein Feuer brannte. Sie zog wie auf ihrem Zettel beschrieben am linken Ohr der Kreatur und sie setzte sich in Bewegung. Eine versteckte Tür schwang vor ihr nach innen. Sie betrat den Raum des Treffens. Der Vogel krächzte, als sie den ersten Schritt in den Raum setzte und flog auf die Schulter seines Besitzers. Der hatte Ihr den Rücken zugedreht und stocherte mit einem Eisenstab in einem kleinen Kaminfeuer herum. Der Mann war sehr groß, wegen dem breiten Schulterschutz an seinem dunklen Umhang wirkte er wie ein Hüne. Seine langen Haare waren ebenso rabenschwarz wie der Vogel, glatt und glänzten matt im Feuerschein. Er hatte sie im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden. Jetzt drehte er sich zu Nea um und sie konnte sein Gesicht sehen. Blass war er, wie bei beim letzten Treffen, seine Augen tiefgrün. Sie duldeten keine Wiederworte und es fiel schwer, direkt hineinzusehen. Sein schwerer Mantel machte ein kleines raschelndes Geräusch, als er den Schürhaken an die Wand lehnte. „Lass das.“, entgegnete Nea kalt. „Was willst du?“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Vielleicht war er ja wegen etwas anderem da... Er machte sie mit seinen Augen nieder. Nea fühlte sich gezwungen, zu Boden zu blicken. Der Vogel krächzte. „Was meinst du?“ Liebevoll kraulte der Mann seinem Tier durchs Gefieder. Sie hasste es, wenn er so tat, als würde er mit diesem Vieh reden. „Sie hat diese Leute in ihr Herz geschlossen und ist nicht mehr an uns interessiert? Nein, so was darfst du doch nicht denken!“ Er tätschelte seinem Vogel den Kopf. Der kniff die roten Augen zusammen. „Hast du nicht selbst gesagt, du hältst nicht viel von Gefühlsduselei, Nea?“ „Was weiß ich?!“, entgegnete die Diebin barsch. „Du hast es vergessen?“, fragte der Mann mit kalter Freundlichkeit. „Hast du vielleicht auch schon vergessen, dass du uns den Stab bringen solltest?“ Nea starrte stur zur Seite. „Nein. Und ich steige aus.“ Der Mann lachte leise. „Aussteigen? Dachtest du wirklich, das geht so einfach?“ Er griff nach dem Schürhaken und zog etwas aus dem Feuer. Es war ein menschlicher Schädel, der jetzt auf der Eisenstange steckte, durch die leeren Augenhöhlen konnte man das Eisen glühen sehen. „Weißt du nicht, was mit Verrätern passiert?“ Sie verstand nicht. Der Mann legte seine Hand auf den Schädel und zischelte eine unverständliche Formel. Auf einmal bildete sich über dem bloßen Knochen das ehemalige Gesicht. Es schien förmlich von seiner Hand aus zu wachsen. Nea stockte der Atem. „Weißt du, wer das ist?“, fragte der Mann. „Das ist Aicyn...“, murmelte Nea. Sie wollte sich abwenden, aber ihr Körper gehorchte ihr nicht. „Nein, ich habe ihn „zurückgeschickt“.“ „Dann war das...“ „Nekromantie.“ Nea atmete auf. „Und damit drohst du mir?“ Sie wandte sich ab und wollte gehen. „Hunde, die beißen, bellen nicht, Nea. Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dich einfach gehen lasse...“ Sie drehte sich um. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mich zurückhalten lasse, wenn du so weitermachst?“ „Gut, dann mache ich anders weiter. Ich kann mir den Tauchsieder auch selbst holen. Und deine Freundinnen werden das nicht überleben, glaub mir.“ „Lass sie in Frieden!“ Nea verengte die Augen und trat einen Schritt näher. „Jetzt sprichst du meine Sprache...“, sagte der Mann und grinste.
Ohne Antworten in die EndrundeIn der Magierhalle war gerade eine kurze Pause, als Lika und Adarwen zurückkamen. Sie schoben sich ihren Weg vorwärts und fanden Thalia in Begleitung des kleinen Magiers aus der ersten Runde und eines Klerikers, der sie gerade verarztete. Scheinbar war ihr letztes Duell ziemlich knapp ausgegangen. Adarwen machte keine langen Umschweife, stellte sich vor Thalia, fragte „Was – ist das?“ und hielt ihr das Buch vor die Nase. Thalia wurde bleich. „Wo auch immer ihr das her habt – stellt es zurück!“, fauchte sie. „Ich hab Thalia noch nie so außer sich erlebt...“, sagte Lika noch ganz verwirrt, als die beiden durch die Gänge huschten. Als Adarwen die Tür aufriss, sah sie Nea, die mitten im Raum stand, genau so erschrocken wie sie. Allerdings verschwand dieser Überraschungsmoment recht schnell bei Adarwen und Lika. Später am Nachmittag gab es einen Zwischenfall beim Magieturnier. Eine Frau wurde unter Winden und Wehren weggeführt. Eine der Wachechsen trug ein kleines Buch weg, das sie der Hexe weggenommen hatten. Es war die Frau, mit der Adarwen zusammengestoßen war. Adarwen war vor weiteren Standpauken gerettet und verschwand, um herauszufinden, wem dieses Grundstück und das Gebäude überhaupt gehörte. Lika blieb bei Thalia, um sie bei ihrem letzten Duell anzufeuern. Danach gingen die beiden zur Turnierverwaltung. Arco musste für die Schattenfuchsjagd überprüft und registriert werden. Nicht alle Kreaturen wurden zugelassen. Thalia versuchte, ihn mit Leckerlies zu bestechen und ihm gut zu zureden, damit er sich gut benahm. Er benahm sich allerdings gar nicht gut, was den Prüfern, zwei alten raubeinigen Tierpflegern, jedoch sehr gefiel. Sie freuten sich besonders, als Arco die Vorhänge ansteckte und lobten Thalia noch, was für einen lebhaften Drachen sie doch habe. So viel zu Tag zwei. Sie saßen alle (außer Nea) in ihrem Zimmer in einem Kreis auf dem Boden, mit einer kleinen Lampe in der Mitte, als André hereinkam. Sie hatten ihn noch nie so niedergeschlagen gesehen. Er stellte seine Hellebarde, „Blitzewerfer“, in die Ecke und verschwand nach einem „Abend...“ im Bad. Die Ritterinnen tauschten unheilvolle Blicke. „Aber hier kennt ihn keiner!“, warf Lika ein, „...jedenfalls nicht als Helden...“ „Es ist ein torilsches Buch, aus seiner Heimat. Toril ist in unserer Welt weitgehend unbekannt.“, erklärte Adarwen.
LebensfrostUnd wer scheuchte sie schon um halb sieben aus dem Bett? Natürlich auch Sadira. Die Nervosität stellte sich erst auf dem Weg zum Frühstückssaal ein. Die Teilnehmer verschiedener Gruppen warfen sich feindselige Blicke zu, es wurde getuschelt und geprotzt und ein weiteres Mal kamen sich die vier Ritterinnen mit André in ihrer Mitte ziemlich fehl am Platz vor. Adarwen hatte gestern Abend im Bett noch lange bis in die Nacht Andrés Chroniken gelesen und war jetzt vor allem müde. Das Werk war von einem Mönch geschrieben und hielt sich sehr mit der Beschreibung des jetzigen Zustandes im Land auf, mit den Herrschaftsverhältnissen, womit sie so wieso nichts anfangen konnte. Adarwen hatte sich im Buch vorgekämpft, bis zu einer Stadt, in der eine Pest herrschte und wo André seine Ausbildung beendet hatte. Sie war noch zur Beschreibung des örtlichen Tempels und derer, die ihn unterhielten gekommen, bevor sie eingeschlafen war. Jetzt beschäftigte sie nur eine Frage: Wie war dieser Mann Sekretär geworden?, worauf sich ihr gleich noch aufdrängte: Seit wann war er schon hier? Verstohlen lugte Adarwen zu ihm hoch. Der Sekretär machte nicht das Gesicht, als ob ihn irgendetwas groß beschäftigen würde. Im Gegensatz zum letzten Abend wirkte er richtig ausgeglichen. Sie nahmen an der Frühstückstafel Platz. Anders als gestern stand das Frühstück schon auf dem Tisch, man musste es sich nicht auf einem Buffet besorgen. Es war auch umsonst, für die, die es in die Endrunde geschafft hatten – was die Teilnehmer ordentlich auszunutzen schienen. Insgesamt war die Atmosphäre hier ausgelassener. Eine Gruppe wild aussehender Männer weiter unten an der Tafel bewarf sich mit Obst, bis eine nette Dame sie bat, damit aufzuhören und bis eine Wachechse die nette Dame dann aus deren Fängen befreit hatte. „André, möchtest du noch ein bisschen Tee?“ „Nein, Danke.“ „Das Obst ist ganz frisch, bedien dich!“ „Später vielleicht.“ „Du musst was essen, sonst fällst du noch vom Pferd!“ „Ich weiß. Danke, Lika, ich weiß schon, was ich essen will!“ Lika sah ihn aus großen Augen ein bisschen enttäuscht an. „Gut...“, seufzte sie und stellte den Brotkorb wieder ab. Auf einmal hob Applaus in der Halle an. In der Mitte vor der Tafel stand ein älterer Mann, hinter ihm befand sich ein leeres Podest und dahinter stand noch eine Reihe an Personen – der Rest des Komitees. Der Kommiteevorsitzende hob eine Hand und es trat langsam Schweigen ein. „Juchu, eine Rede...“, grummelte Sadira und biss in einen Apfel. Der Mann räusperte sich. Seine Stimme war ein bisschen zu hoch für den Bauch, den er angesetzt hatte. „Meine lieben Kandidaten – Willkommen! Ihr alle habt heute die Chance, großen Ruhm zu erlangen.“ Toben und Gröhlen ging durch die Reihen, sie hörten André leise lachen, wie in Erinnerungen schwelgend. Weil der Saal jetzt wieder tobte, sagte er nur schnell „Viel Erfolg!“, verneigte sich und ging mit dem restlichen Komitee.
„Das ist nicht das Original, oder?“, meinte Lika, als sie nach dem Frühstück nach vorne gingen, um sich die Trophäe von allen Seiten anzusehen. Thalia langte direkt durch den Kristall hindurch und meinte: „Projektion.“ „Nea bringt uns bestimmt um, wenn wir das Ding nicht gewinnen...“, lachte Sadira, verstummte aber schnell wieder, als sie die Drachenjägerfamilie auf sie zukommen sah. „Wir wollten ihr nur Glück wünschen.“, eröffnete die Mutter das Kommunikationsduell und zeigte auf Sadira. „Sie hat das Pech schon im Viertelfinale gegen unseren Heinrich kämpfen zu müssen. Was sie natürlich nicht gewinnen kann.“ Die Ritterinnen begannen im Chor zu prusten und brachen in lautstarkes Gelächter aus. „Sadira... nicht gewinnen...“, japste Lika atemlos. „Guter Witz, wirklich!“ Heinrich, einer der erwachsenen Söhne, stand da, perplex und mit strohblonden Haaren. Wortlos sah er von einer lachenden Frau zur anderen. Heinrich... wurde rot wie eine Tomate. ...weshalb die Ritterinnen nur noch mehr lachen mussten. Die Mutter wurde auch rot, allerdings nicht aus Verlegenheit, sondern aus Zorn. Sie räumten vorsorglich das Feld. Wie immer auf Turnieren war die Zeitaufteilung saublöd geregelt. Natürlich war die Schattenfuchsjagd als Abschlussdisziplin am Ende des Turniers. Aber um zum Startpunkt zu gelangen, brauchte man eine dreiviertel Stunde, was bedeutete, dass die Teilnehmer direkt vor dem Finale der Kämpfer gehen mussten. Dieses Finale wiederum überschnitt sich mit dem Halbfinale der Magier. Die einzige Disziplin, die man ohne großen Verlust ansehen konnte, war das Lanzenreiten. Das Finale hier war zeitgleich mit dem Achtelfinale der anderen beiden.
André strikes back
„Unfair!“, war das einzige Wort, das Lika seit ein paar Minuten sagte. Adarwen schenkte ihr aber wenig Beachtung, sie dachte immer noch über die André-Fragen nach. Zu zweit saßen sie auf der Tribüne und warteten auf das Achtelfinale des Lanzenturniers. Lika hätte sich viel lieber das Magierturnier angesehen, als eingebüchste Männer auf Pferden, die aneinander vorbeiritten. „Was meinst du, ist bei solchen Veranstaltungen schon mal jemand gestorben?“, fragte Adarwen vorsichtig. Beunruhigt lauschte André dem Lärm der Menge draußen, als er seine Armschienen anlegte. Er bückte sich gerade, um seine Stiefel zu binden, da tauchte ein Schatten über ihm auf. André sah die schweren schwarzen Stiefel vor sich auf dem Boden und sah an den Beinen aufwärts. Ein Mann in schwarz-goldener Rüstung stand vor ihm, den Helm schon aufgesetzt. Als André sich aufrichtete, packte der ihn am Kragen und zog ihn heran. Perplex starrte er durch das winzige Visier direkt zwei roten Augen entgegen. „Hör zu, stiefelleckender, aktenfressender Schoßhund des ASN...“, zischelte er André mit heiserer Stimme an, „Die anderen ziehen vor dir den Schwanz ein und lassen dich gewinnen...“ André hob eine Augenbraue, „... aber ich werde deinen schmächtigen Körper mit meiner Lanze aufspießen, bevor ich der Menge deinen abgeschlagenen Kopf präsentiere.“ Der ganze Stall verharrte und hörte jetzt zu. Um sich zu beruhigen atmete André tief ein und aus und sagte mit leiser Stimme: „Ein Wiedergänger. Wer hat dich geschickt?“ Die Gestalt verhärtete ihren Griff, dann schubste sie André von sich und ließ ihn los. „Wir sehen uns im Finale, Halbelf.“ Das wollte André nicht bezweifeln. Der eindeutig (jedenfalls für ihn) untote Ritter hatte bis jetzt unbarmherzig alle seine Gegner platt gemacht. Er wollte Adarwen und Lika erst gar nicht glauben, als sie ihm nach dessen Halbfinale (er hatte die Runde des anderen nicht mit ansehen müssen, er kannte die Methode dieses Ritters schon) mitteilten, er habe verloren. Als André auf dem Turnierplatz auf seinem Pferd saß und auf das Startzeichen wartete, fiel es ihm schwer, Adarwens Worte zu beherzigen. Sein Gegner ritt auf einem weißen Pferd, das etwas kleiner war als die restlichen. Von der Statur her war er noch „zierlicher“ als André und eine gnomähnliche Gestalt reichte ihm die Lanze. Das Signal zur ersten Runde ertönte. André ritt an und beschleunigte. Er legte die Lanze an. Durch seine höhere Position hatte er einen Vorteil. Er schaffte es, über die Lanze des anderen zu kommen und sie nach unten abzulenken. Er landete keinen Treffer. In der nächsten Runde wollte er ihn vom Pferd werfen. Die nächste Runde kam, sie hatten beide keinen Punkt gemacht. „Er soll die Sache gefälligst ernst nehmen!“, zeterte Lika auf ihrem Platz und stellte unsanft ihren Milchshake (Erdbeer) neben sich auf die Bank. Aber das stimmte nicht. In der nächsten Runde landete der „Weiße Ritter“ auf dem Boden. André hatte es vorsichtig gemacht. Der Brustpanzer hatte nur einen kleinen Kratzer. Sofort kamen die Helfer des Reiters angerannt. Er hatte sich wahrscheinlich nichts getan, aber so eine Rüstung war schon schwer. „Alles in Ordnung?“, hörte er einen Burschen sagen, der sich zu seinem Gegner herunterbeugte. „Geht schon...“ André hatte gerade zu seinem Anfangspunkt zurückreiten wollen, als die Stimme seinem Unterbewusstsein einen Stoß versetzte. Augenblicklich richtete er seinen Blick auf den Ritter zurück, der sich mit beiden Händen den Helm vom Kopf nahm. Das Gesicht... wie die Stimme... er kannte es alles. „Ich gebe auf.“, sagte der Ritter vergnügt. Nachdem die Nachricht vom Schiedsrichter verkündet worden war, ging ein Tosen durch die Zuschauer, voll Euphorie bahnten sich Lika und Adarwen ihren Weg durch die Massen. Das Komitee und die Leute warteten acht Minuten, in denen nach ihm gesucht wurde – erfolglos. Letztendlich mussten Lika und Adarwen den Pokal entgegennehmen. Adarwen ging zu Thalia, um zu sehen wie es lief und um sie zu informieren. Lika wollte weitersuchen. Sie lieh sich einen Gestaltwandlerohrring von Adarwen aus, um nicht aufzufallen und ging erneut zu den Ställen. Es war nicht mehr viel los, ein paar Stallburschen kümmerten sich um die Pferde. Auch Andrés stand da. Sie wollte gerade einen der Burschen fragen gehen, als ein Goblin, der rechts oben auf einem Balken gesessen hatte, vor ihr auf den Boden sprang, sie versuchsweise freundlich angrinste und an ihr vorbei aus der Tür witschte - der war doch aus dem Gefolge von Andrés Entgegner... Einem spontanen Gefühl folgend setzte sie sich ihm an die Fersen.
Bestienritter-Chaos
„Der Gnom wollte nicht mit dir reden und ist weg gerannt?“ „Der Goblin!“ „LETZTER AUFRUF FÜR DIE TEILNEHMER DER SCHATTENFUCHSJAGD! Aufbruch in zwei Minuten.“ „Verdammt!“, fluchte Adarwen. Sie mussten gehen. Der Dieb würde ihnen durch die Lappen gehen.
Thalia war nervös. Sie starrte schon zwei Minuten lang auf das „Harmonie herrscht“-Banner und schaffte es nicht, ihren Geist zu sammeln. Der Magier aus der ersten Rund saß neben ihr und sah zu ihr hinauf, die ganzen zwei Tage hatte er sie bei ihren Duellen begleitet und war nicht von ihrer Seite gewichen. Jetzt stand ihr Halbfinale kurz bevor. In der Halle war jetzt nur noch ein schwarz-weißer Ring, von den Ausmaßen doppelt so groß wie die der Vorrunde. Sadira bereitete sich jetzt auf das Finale vor. Schon Wahnsinn, dass sie es so weit geschafft hatten. Fast schon verdächtig. Die Halle war ziemlich leer. Es wurde sich flüsternd unterhalten. Noch nahm man Rücksicht auf die Teilnehmer, das Finale würde vor einer großen Menschenmasse stattfinden. Thalia wandte jetzt ihren Blick einer Fackel an der Wand zu und starrte ins Feuer. Ihr Gegner machte es spannend. Er war noch nicht erschienen. Sie wusste nicht, wer es war, hatte ihn nicht im Kampf beobachten können – sie war völlig unvorbereitet. Das Feuer flackerte ihr zu. Fast schon freundlich. Ein Ausruf für die nächste Runde ging durch. Die Hexe erhob sich. Als sie und der Schiedsrichter schon im Ring standen, ließ sich ihr Gegner blicken. Ein großer, blasser Mann. Seine Augen verhießen nichts Gutes. Dass Churel warnend krächzte, auch nicht. „Viel Glück.“, sagte er zu Thalias Überraschung und hielt ihr seine Hand hin. Sie war nicht dumm. Er würde ihre nicht bekommen. Sie hob eine Augenbraue und erwiderte: „Beginnt nun.“ Wie als Antwort zerbarst der Kristall in der Mitte der Decke, der den Raum magieleer gehalten hatte. Die Leute flohen zu allen Seiten, als die Brocken zu Boden fielen. „Was zum...?! Das Duell wird unt-“, war das letzte, was der Schiedsrichter heraus bekam. Das letzte, was er sah, war die Handfläche des Mannes, bevor er durch dessen Befehl zu Knochen und Staub zerfiel. Ein befriedigtes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er Thalias entsetztes Gesicht sah. Thalia wollte ihre Hände zu einem starken Zauber gegen den Unbekannten heben, da kam die Decke herunter. Tonnenschwere Brocken, die direkt auf sie fielen. „Halt!“ Mit diesem schlichten Ausruf, keinem Zauberspruch, stoppte sie das Gestein kurz über ihrem Kopf. Ihr Phönix krächzte und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den Magierlehrling, der schutzlos von der Decke erschlagen zu werden drohte. Thalia hatte keine Hand mehr frei... Ein grelles Licht ließ sie die Augen zusammen kneifen. Ein Donnergrollen folgte und der Steinbrocken zersprang in tausend Stücke. Sadira kam angerannt, bluewalker in beiden Händen. Thalia ließ ihr Deckenstück neben sich zu Boden krachen. Die Hexe sah von Sadira zu Karmesin, dem Medium, das mit ihr gekommen war.
Der Plan der Bestienritter
„Du da! Wo ist die Trophäe?“ Die Wachechse röchelte in einem scharfen Hsss-Ton und brachte dann keinen Ton mehr heraus. Nicht nur in der Halle hatte man sich um sie gekümmert, auch auf den wichtigsten Gängen. „Seht mal da!“, rief der Magierlehrling, der weiter vorne auf der Gangkreuzung stand. Thalia und Sadira kamen angerannt, Karmesin folgte langsameren Schrittes. Sie schien das alles interessiert, aber anteilslos mit zu verfolgen. Auf dem Boden, zwischen zwei Echsenleichen, lag eine menschliche Leiche, bekleidet mit einem langen, dunklen Umhang. Das Gesicht war von einer Tonmaske verdeckt, in weiß und rot. An dem Dolch in der Hand des Meuchelmörders klebte dunkles Echsenblut. „Leute, irgendwie finde ich es nicht so schlau, zu dritt hinter einer Person herzurennen...“ Auf Karmesins Hinweis nickte Sadira und nahm einen anderen Weg. Sie rannten weiter hinterher und wussten nicht, ob sie diese Gestalt da zu ihrem Ziel führen würde. Auf einmal drehte sie sich um und holte aus, in ihrer Hand eine Kapsel mit einer Flüssigkeit. Sadira hielt den Arm fest. Sie stand hinter ihr und hatte bluewalker bei sich. Sie war teleportiert. Die anderen verlangsamten ihre Schritte und kamen heran. Schließlich war es Thalia, die den Verfolgten demaskierte. „...Nea?!“ Thalia und Sadira stellten kurz Blickkontakt her, dann wussten sie, was zu tun war. „Erklärung!“, fuhr Thalia Nea erneut an, die genau daran scheiterte. Sie musste weiterdenken, einen neuen Plan fassen. Nea schüttelte den Kopf. „Sie haben ihn noch nicht, sie wissen nur, wo er ist! Wo sie denken, dass er ist...“ Nea versuchte jetzt doch eine Erklärung im Schnelldurchlauf. „Dieser Magier, den ihr eben getroffen habt, ist Neuromantiker. Lebende bringen ihm nichts. Deswegen denkt er auch nicht daran, einfach so mit dem Kristall abzuhauen. Naja und jetzt denkt mal darüber nach, warum das Ding Lebensfrost heißt...“ Thalia musste nur Nekromantiker, Seelen und magischer Kristall zusammenzählen. Die Kandidatin erhält 99 Punkte.
|
||
[Kontakt: Kekskoenigin-Giselle@web.de][Disclaimer] |